Nicht noch einmal? Der Schutz von Opfern vor dem Täter durch den Strafprozess - höchstens Zufall

Dr. Wolfram Schädler
Generalbundesanwaltschaft beim Bundesgerichtshof

Straftaten sollen ihnen nicht noch einmal passieren, doch für den Strafprozess steht dieser erstrangige Wunsch der Opfer kaum auf dem Programm. Findet nicht ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich statt, bleibt es dem Zufall überlassen, ob und wie die Vorbeugung vor neuen Straftaten durch denselben oder einen anderen Täter vor Gericht umgesetzt wird. Auch der Bundesgerichtshof versteht unter Opferschutz nur die Vermeidung sekundärer Viktimisierung durch den Strafprozess selbst.
Die Kriminalitätsopfer richten sich nach dieser Realität: Sie zeigen Gewaltdelikte nur dann an, wenn sie sich durch die öffentliche Diskussion ermutigt fühlen. Oder wenn der Staat gezielte Unterstützung, wie bei Delikten häuslicher Gewalt vorsieht, wird er auch zu Hilfe gerufen; Familiengerichte stellen sich vor die Betroffenen.
Strafgerichte spielen dagegen kein Rolle, aus Angst vor Repressalien unterbleibt in vielen Fällen eine Anzeige. Der Strafprozess büßt seine Bedeutung ein, wenn es nicht gelingt, den Schutz der Opfer auf seine Agenda zu setzen.
Die Beschleunigung des Strafverfahrens wird zum Selbstzweck und rechtfertigt die Neigung - zumal beim sogenannten Deal - dem Opfer aus dem Wege zu gehen. Es darf nicht sein, dass Strafgerichte nur noch anlässlich symbolischer Strafverfahren gegen hochbetagte NS-Täter aus Sicht der Opfer befriedend wirken. In Fällen also, wo der präventive Aspekt keine Bedeutung mehr hat.

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Opferschutz