Strafrechtliche Compliance in der katholischen Kirche
Katharina Reisch
Universität Leipzig
Die „Katastrophe des sexuellen Missbrauchs“ in der katholischen Kirche ist ein anhaltendes Problem von hoher gesellschaftlicher Brisanz: 2021 offenbart ein Gutachten die jahrzehntelange Verharmlosung und Vertuschung des Missbrauchs im Erzbistum Köln, 2022 belastet eine Untersuchung zum Erzbistum München und Freising den emeritierten Papst Benedikt XVI. schwer. Die Untersuchungen zeigen, dass diese institutionellen Verfehlungen ihrerseits neue Straftaten ermöglichen – ein Zusammenhang, der bereits aus dem Bereich der Wirtschaftskriminologie bekannt ist. Die Siemens-Korruptionsaffäre etwa wurde maßgeblich durch einen bewusst untätig bleibenden Vorstand katalysiert. An diese Parallele anknüpfend geht dieser Vortrag der Frage nach, welchen Beitrag das zur Bewältigung von organisationaler Unternehmenskriminalität etablierte Instrument der strafrechtlichen Compliance zur Bewältigung und Prävention von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche leisten kann. Er fragt an der Schnittstelle von Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht grundlagenorientiert nach der Übertragbarkeit des „Präventionswerkzeugs“ Compliance auf einen völlig neuen Zusammenhang. Der Vortrag zielt ebenso auf praxistaugliche Vorschläge für ein kirchliches Compliance Management System.