Am 19. & 20. Juni 2017 fand der 22. Deutsche Präventionstag im Hannover Congress Center (HCC) unter der Schirmherrschaft des Niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil statt. Das Schwerpunktthema „Prävention & Integration“ wurde im Eröffnungsplenum durch den „Chor der Nationen“ eingeleitet. Der Abendempfang führte die Teilnehmenden in das Neue Rathaus an Hannovers Maschsee.
25 Jahre Deutscher Präventionstag
Ein Beitrag von Antje Niewisch-Lennartz
Präventionspolitikerin; Verwaltungsrichterin und Niedersächsische Justizministerin a.D.
Am 19. und 20.6.2017 fand der 22. deutsche Präventionstag in Hannover statt. Sie haben damals als Gast und Referentin teilgenommen. Wenn Sie an die Veranstaltung zurückdenken, was ist Ihnen als besonders kennzeichnend nachhaltig in Erinnerung geblieben?
Ich war damals Justizministerin in Niedersachsen. Der Deutsche Präventionstag „residierte“ in meinem damaligen Haus. Deswegen sind alle Präventionstage mit dem Justizministerium eng verbunden gewesen. Ein Präventionstag in der eigenen Stadt war dann natürlich etwas ganz Besonderes. Ich habe die Eröffnung in der Stadthalle als besonders festlich und die Grußworte z.B. des Ministerpräsidenten als besonders gelungen in Erinnerung. Aber emotional am bewegendsten war der Auftritt des mit Flüchtlingen gegründeten internationalen Chors. Wir dürfen nicht vergessen, dass im Sommer 2017 die Geflüchteten-Bewegung noch dramatisch den Alltag – den medialen wie den politischen Alltag – prägte. Dieser Chor zeigte, dass Geflüchtete nicht nur ein Organisations- und Integrationsproblem darstellen, sondern eine Bereicherung sind bzw. sein können, wenn dafür die Möglichkeiten geboten werden.
Im Nachhinein kommt es mir schon sehr besonders vor, dass ich mich in meinem Referat nicht an die Teilnehmenden wenden konnte, sondern nur an eine Kamera, weil ich terminlich nach der Eröffnung verhindert war. Im Nachhinein war es eine gute Übung für die gegenwärtigen Pandemiebedingungen. Ein bisschen frech war es von mir, mich nicht zum Thema Prävention und Integration zu äußern, sondern zu meinem Lieblingsthema, dem Opferschutz. Prävention ist der beste Opferschutz, schließlich ist es immer das Beste, nicht Opfer einer Straftat zu werden. Aber meine Rede hatte schon den konkreten Umgang mit denjenigen zum Thema, die Opfer geworden waren, Prävention also keinen Erfolg gehabt hatte. Das Thema ist mir nach wie vor auch persönlich sehr nah und Gegenstand meiner gegenwärtigen Arbeit.
Wir blicken gemeinsam auf 25 Jahre Gewalt- und Kriminalprävention zurück. Wie hat sich dieses Fachgebiet in dieser Periode insgesamt verändert? Was wurde erreicht? Lassen sich rückblickend Konjunkturen bestimmter Debatten erkennen?
Wenn wir auf den Beginn der intensiven Diskussion um Kriminalprävention zurückschauen, dann führt uns das vor Augen, dass wir es verlernt haben uns zu freuen und Erfolge zu feiern. Die gute Nachricht ist: Prävention wirkt! Wenn wir die Kriminalitätsstatistik aus den Anfangsjahren der Prävention und der kommunalen Präventionsräte über die letzten 25 Jahre betrachten, wird dies drastisch deutlich. Ich empfehle die einschlägigen Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstitutes – KFN aber auch die allgemeine Polizeistatistik. Jugendgewalt ist deutlich zurückgegangen. Aber die Schlagzeilen in den klassischen wie den sozialen Medien sind wirkmächtiger als derartige Untersuchungen. Das Neue an den Präventionskonzepten von Beginn an war die Erkenntnis, dass der Verweis auf Statistiken allein nicht hilft. Gute Prävention bedeutet eben auch, die realen Ängste der Bevölkerung wahrzunehmen und das Handeln darauf auszurichten. Die Statistik hilft nicht, wenn man abends Angst hat vor die Tür zu gehen. Eine besondere Konjunktur hatten die Berichte über Straftaten und damit einhergehend das gesteigerte Bedrohungsgefühl nach der Krise nach 2015. Beginnend mit der Silvesternacht auf der Domplatte in Köln und Berichten über sexuelle Übergriffe und Gewaltdelikte junger Geflüchteter lag die Notwendigkeit einer Debatte über Prävention im Bereich der Integration auf der Hand. Das Thema wurde zu Recht das Thema des Präventionstages in Hannover!
Ist dieses Thema auch heute noch aktuell? Findet sich ein roter Faden der sich auch heute noch aufnehmen lässt?
Das Thema ist heute so aktuell wie 2017. Jeder Bericht über Gewalttaten, insbesondere im Bereich der Sexualstraftaten, findet immer dann eine besondere Beachtung in der Öffentlichkeit, wenn sie durch Geflüchtete oder von Menschen mit ausländischen Wurzeln begangen wurde. Wird von einem deutschen Täter berichtet, wird dies immer besonders betont, quasi als ob in der Regel davon auszugehen sei, dass diese Straftat von einem Menschen mit ausländischen Wurzeln begangen wurde. Das beruht sicher auch darauf, dass gerade den Medien nach der großen Begeisterung über die Solidarität mit Geflüchteten vorgeworfen wurde, negative Ereignisse wie zum Beispiel Straftaten zu unterschlagen oder verschämt zu verbrämen. Wenn es auch nicht schlagzeilentauglich ist: ausschlaggebend bleibt, die Realität nüchtern zur Kenntnis zu nehmen und Probleme durch kluge Präventionsarbeit anzugehen. Wichtige Ideen und Wege dazu wurden durch den DPT in Hannover aufgezeigt und diskutiert. Leider zieht sich als roter Faden durch die letzten 25 Jahre, dass die erfolgreichen Bemühungen um Prävention in der Öffentlichkeit nicht hinreichend wahrgenommen werden. Sicherlich: „Bad News are good News“. Gute Nachrichten, noch dazu solche, die nur auf lange Perspektive funktionieren und keine schnellen Ergebnisse zeitigen, sind viel schwerer zu platzieren. Das kann allerdings kein Grund sein, darin nachzulassen.
Was sind aus Ihrer Sicht die aktuell wichtigen Themen und Herausforderungen für die Prävention?
Auch wenn es schon bald in der Wiederholung in allen Ansprachen der Repräsentanten unserer Demokratie Ermüdung hervorruft: der Kampf gegen rechte Gewalt und rechtes Gedankengut und das Eindringen seiner Thesen in den allgemeinen Diskurs. Natürlich sind solche Ansprachen und die Platzierung des Themas wichtig. Noch wichtiger sind Konsequenzen. Und die bedeuten, das notwendige Geld zur Verfügung zu stellen, um entsprechende Präventionskonzepte gut aufzusetzen und nicht kurzatmig in Projektfinanzierung zu zwängen. Prävention funktioniert eben nur auf langer Strecke, ist ein Marathon und für den Sprint von Drei-Jahres-Projekten ungeeignet. Deren Start lässt sich medienwirksam verkünden, um dann nach Ablauf trübsinnig zu resümieren, dass die Lage sich noch nicht grundlegend geändert hat.
Welche strategische Ausrichtung würden Sie abschließend für die nächsten 25 Jahre Präventionsarbeit in Deutschland und Europa empfehlen?
Da kann ich nur wiederholen was ich oben gesagt habe: Marathon statt kurze Strecke, und das auf Grundlage evidenzbasierter Konzepte. Das was gut klingt muss noch nicht gut sein. Und wenn man täglich zum Thema auf dem Laufenden bleiben möchte.: Abonnieren Sie die täglichen Präventions-News von Erich Marks. Da finden Sie genügend Anregungen. Und das jeden Tag!