Der sexuelle Missbrauch Minderjähriger in Kirche und Schule
Prof. Dr. Dieter Hermann
Universität Heidelberg
Die Prävention des sexuellen Missbrauchs ist auf die Täter konzentriert, auch wenn die Tat im Rahmen einer Organisation geschehen ist. Organisatorische Rahmenbedingungen, die den sexuellen Missbrauch begünstigen, bleiben weitgehend unberücksichtigt. Dieses Defizit kann mittels einer Untersuchung, die im Rahmen einer Studie zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz durchgeführt wurde, zumindest teilweise kompensiert werden. Es handelt sich um eine Analyse von Strafverfahren wegen sexueller Missbrauchsdelikte gegen Minderjährige durch Kleriker der katholischen Kirche und durch Mitglieder anderer Institutionen. Mit diesen Daten ist ein Institutionenvergleich möglich. Es kann die Frage beantwortet werden, ob die besonderen Rahmenbedingungen in der katholischen Kirche, insbesondere das Kirchenrecht und der Klerikalismus, einen Einfluss auf Taten, Täter und institutionelle Reaktionen bei Delikten des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen haben. Die Analyse ergab, dass die Bedingungen in der katholischen Kirche zu einer Konzentration von Personen mit mangelhaft integrierter Sexualität und zur Verschleierung von Missbrauchstaten geführt haben. Die Prävention des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche wäre durch eine Veränderung dieser Rahmenbedingungen möglich.