06. Zwischenruf: Erich Marks im Gespräch mit Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke
Heute ist Donnerstag, der 26. März 2020. Ich bin Erich Marks und als Geschäftsführer des Deutschen Präventionstages freue ich mich über ihr Interesse an unseren Zwischenrufen zur Prävention in Zeiten der Corona-Epidemie und von COVID-19.
Zum heutigen Zwischenruf begrüße ich am Telefon Professor Dr. Hans-Gerd Jaschke. Herr Jaschke ist Politikwissenschaftler, ausgewiesener Forscher und Autor zu verschiedenen Themen der inneren Sicherheit und berät unter anderem das Bundeskriminalamt in Extremismusfragen.
Herr Jaschke, ich begrüße Sie herzlich und darf Sie zunächst fragen, welche Präventionsaspekte ihnen aktuell besonders wichtig erscheinen.
Nun, vor dem Hintergrund der Corona-Krise schaut alle Welt auf medizinische Versorgung, den Wirtschaftseinbruch und die Möglichkeiten der Politik, auf diesen Feldern gegenzusteuern. Das ist auch notwendig und richtig. Dabei wird ein Aspekt aber häufig übersehen, nämlich die Krise der Demokratie. Sie wird überdeckt vom Tatendrang von Politikern, die sich als Krisenmanager betätigen und, unterstützt von der Expertokratie der Virologen, den Ausnahmezustand beschwören.
Und worin besteht die „Krise der Demokratie“?
In der Stunde der Exekutive sind Grundrechte wie Bewegungsfreiheit, Religionsfreiheit und Versammlungsfreiheit eingeschränkt oder gar aufgehoben worden. Das Parlament nickt Gesetze innerhalb weniger Stunden oder Tage ab, eine parlamentarische Opposition scheint es kaum noch zu geben. Das alles mag berechtigt sein aus Gründen der Effektivität zur Bekämpfung des Corona-Virus. Aber es ist auch Ausdruck einer nicht mehr stabilen Demokratie. Das kann zu fatalen Konsequenzen führen. Rechtsextremistische gewaltbereite Gruppen beispielsweise könnten durch eine Anschlagserie die – aus ihrer Sicht - Gunst der Stunde nutzen und weiter destabilisieren bei ihrem Bemühen, die Demokratie loszuwerden. Eine andere Konsequenz könnte darin bestehen, auch nach der Corona-Krise die Exekutive zu stärken und die Grundrechte zu beschneiden aus Gründen eines effektiven und schnelleren Durchregierens in Krisenzeiten. Das alles sind Alarmzeichen!
Was ist das zentrale Anliegen Ihres heutigen Zwischenrufes?
Natürlich hat die Bekämpfung des Virus und die Milderung der wirtschaftlichen Folgen höchste Priorität. Aber es gilt auch zu überlegen, wie einer dauerhaften Schwächung der Demokratie begegnet werden kann. Es ist nicht nur wichtig, auf Grundrechte und Gewaltenteilung zu bestehen, es geht auch darum, aus der Zivilgesellschaft heraus die Demokratie zu schützen, denn sie steht seit einigen Jahren unter erheblichem Druck. Rechtspopulistische Bewegungen arbeiten weltweit und ohne größere Widerstände in der Bevölkerung schon länger daran, Demokratien in Autokratien zu verwandeln – siehe Ungarn, Polen, die USA oder Brasilien. Der hohe Wert von Grundrechten, Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Verantwortlichkeit der Regierung muss daher mehr und dauerhafter auf der Tagesordnung stehen. Hier ist politische Bildung ein zentraler Schlüssel für Prävention und Intervention. Voraussetzung einer gelebten Demokratie, die sich nicht nur als „Schönwetterdemokratie“ in krisenarmen Zeiten präsentiert, ist das Engagement der Bürger für ihre Werte und das kann durch politische Bildung besser auf den Weg gebracht werden.
Abschließend bitte ich sie um eine kurze zusammenfassende Aussage zu Ihrem heutigen Anliegen.
Die Corona-Krise hat nicht nur gesundheitliche und wirtschaftliche Aspekte. Zu den Herausforderungen gehört auch, die Krise der Demokratie realistisch zu erkennen: Grundrechte und Gewaltenteilung sind bedroht, rechtspopulistische und rechtsterroristische Kreise könnten sich dies zunutze machen. Gefragt ist politische Bildung als präventives Instrument zur Stärkung von Demokratie und Zivilgesellschaft.
Kontakt:
hans.jaschke@hwr-berlin.de
Neuerscheinung:
Politischer Extremismus,
überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Auflage (Erstauflage 2006),
erscheint im Herbst 2020 im VS-Verlag, Wiesbaden.
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