30. Zwischenruf: Erich Marks im Gespräch mit Günther Ebenschweiger
Heute ist Mittwoch, der 8. Juli 2020. Ich bin Erich Marks und als Geschäftsführer des Deutschen Präventionstages freue ich mich über Ihr Interesse an unseren Zwischenrufen zur Prävention.
Zum heutigen Zwischenruf begrüße ich am Telefon den Präventionsexperten Günther Ebenschweiger aus Graz. Herr Ebenschweiger ist unter anderem Initiator und Geschäftsführer des Österreichischen Präventionskongresses sowie Präsident des Österreichischen Zentrums für Kriminalprävention.
Herr Ebenschweiger, ich grüße Sie herzlich, danke Ihnen für Ihre Bereitschaft zu diesem Zwischenruf und darf Sie zunächst fragen, welche Herausforderungen für die Präventionsarbeit Ihnen aktuell besonders wichtig erscheinen. Was ist der Hintergrund Ihrer Aussage „Prävention bedeutet Respekt!“ für die Realisierung Ihres diesjährigen Jahreskongresses?
Der Österreichische Präventionskongress 2020 – der heuer erstmals als viertägiger Online-Kongress von 16. bis 19.11. angeboten wird – steht unter dem Motto „Respekt“.
In der Vorbereitung auf dieses Thema ist mir bewusst geworden, wie wichtig Respekt einerseits ist, wie gewünscht Respekt von der Gesellschaft wird und das (Kriminal-)Prävention durchaus mit „ist ein respektvolles Angebot zur Veränderung“ übersetzt werden kann.
Was ist Ihr zentrales Anliegen für den heutigen Zwischenruf?
Aus meiner mittlerweile über 35jährigen Auseinandersetzung mit (Kriminal-)Prävention, im besonderen Gewaltprävention, kann ich ableiten, dass die Zielgruppen – Kinder, Jugendliche, Erwachsene – diesen präventiven Angeboten sehr wertschätzend und respektvoll begegnen und sich über kognitive und emotionale Unterstützung freuen.
Gleichzeitig erlebe ich auch, dass politische EntscheidungsträgerInnen in der medialen Öffentlichkeit – statt einer lösungsorientierten Prävention – eher einer Interventionsmaßnahme bzw. eine Verschärfung der Strafen den Vorzug geben und EntscheidungsträgerInnen vor Ort – beispielsweise SchulleiterInnen – oft aus einer Angst heraus, ein präventiver Ansatz könnte Defizite aufdecken, einen solchen ablehnen.
Aus diesen Parametern haben sich die – und das möchte ich vorausschicken, wichtigen und unverzichtbaren – Interventionsansätze und das Strafrecht als rasche und verständliche „Lösungsmittel“ etabliert. Tatsache ist aber, dass Intervention erst dann einsetzt, wenn es schon Opfer gibt und Strafrecht erst einsetzt, wenn es zumindest schon Opfer und zumeist auch TäterInnen dazu gibt.
Persönlich finde ich das Verhalten der jeweiligen EntscheidungsträgerInnen respektlos und beschämend, weil damit – bewusst oder unbewusst – übersehen wird, dass „wir das Kind in den Brunnen fallen lassen, statt es davor zu schützen und zu stärken.
Woher kommen diese zwar verständlichen, aber inakzeptablen Reaktionen und Ängste?
Beide – Reaktionen wie Ängste – resultieren aus einer Konditionierung der Politik durch Medien und basieren auf einer zunehmenden „Boulevardisierung“ von Medien.
Diese „Boulevardisierung“ ist einerseits nach dem Motto – schneller, kürzer, prägnanter, emotioneller, direkter … – geprägt von der Erreichung monetärer Ziele und der (Un-)Informationsbereitstellung mit einer Halbwertszeit von wenigen Minuten; maximal!
Mit dem 9. Österreichischer Präventionskongress verbinden wir daher auch das Ziel, dass Österreich auch in Zukunft ein diesen Werten – Rücksichtnahme, Toleranz, Achtung, Wertschätzung, Respekt – verpflichtetes Land bleibt, in dem nicht nur Solidarität zählt und Respekt als Basis für ein friedliches Zusammenleben verstanden wird, sondern auch die Politik und die Medien (Kriminal-)Prävention den Respekt einräumen, der dieser so vielfältigen und mit so viel persönlichem Engagement und hohem Potential wissenschaftlich wie praxisorientierten Disziplin zusteht.
Darf ich Sie abschließend noch um eine kurze zusammenfassende Aussage zu Ihrem heutigen Anliegen bitten:
Ich möchte es zum Schluss mit einem Zitat von Alfred Herrhausen sagen, der 1989 von RAF-Terroristen ermordet wurde, und dass für mich wie ein Leitsatz ist: „Wir müssen das, was wir denken, sagen. Wir müssen das, was wir sagen, tun. Wir müssen das, was wir tun, dann auch sein!“
Herr Ebenschweiger, haben Sie herzlichen Dank für diesen Zwischenruf und bleiben Sie gesund.
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