04. Zwischenruf: Erich Marks im Gespräch mit Prof. Dr. Dirk Baier
Herr Baier, ich begrüße Sie herzlich und darf Sie direkt fragen, welche Präventionsfragen ihnen aktuell besonders wichtig erscheinen.
Zweifellos sind derzeit alle die Gesundheitsprävention betreffenden Fragen von besonderer Bedeutung. Das ist aber nicht mein Tätigkeitsbereich. Für die Kriminalprävention sehe ich derzeit vor allem im Bereich des Umgangs mit Aggressionen, die durch die verschiedenen Verhaltensbeschränkungen entstehen können, relevante Themen – so bspw. die Prävention häuslicher Gewalt. Was mich derzeit aber ebenfalls interessiert, ist die Entstehung von Verschwörungstheorien. Wir wissen aus der Vergangenheit, dass solche Verschwörungstheorien immer dann regelrecht aufblühen, wenn sich etwas gesellschaftlich Einzigartiges ereignet. Dies ist derzeit der Fall. Die Corana-Pandemie verlangt nach Erklärungen – und verschiedene Menschen geben sich nicht mit den Erklärungen der Wissenschaft und Politik zufrieden, sondern vermuten dahinter das Wirken dubioser Mächte. Problematisch ist das in mindestens zweierlei Hinsicht: Erstens in kurzfristiger Perspektive dürften Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben, die notwendigen Verhaltensrichtlinien weniger beachten und setzen sich und andere unnötigen Gefahren aus. Zweitens langfristig sinkt mit dem Glauben an Verschwörungstheorien das Vertrauen in das politische System; es kommt zu einer Entfremdung, mit bedeutsamen Konsequenzen. Wir konnten bspw. in einer aktuellen Studie zeigen, dass Jugendliche wie auch Erwachsene, die an Verschwörungstheorien glauben, gewalttätigen Extremismus befürworten. Verschwörungstheorien haben damit über kurz oder lang demokratiegefährdende Folgen.
Was ist das zentrale Anliegen Ihres heutigen Zwischenrufes?
Mein Appell ist ein einfacher und wenig überraschender: Die negativen Folgen der Verbreitung von und des Glaubens an Verschwörungstheorien berücksichtigend braucht es noch mehr Menschen, die sich gegen diese Theorien stellen, es braucht einmal mehr Zivilcourage. Denn wo werden die Theorien aufgegriffen und verbreitet? Im Freundeskreis, im nahen sozialen Umfeld, in den Sozialen Medien. Und überall dort muss jeder einzelne gegen die Verbreitung dieser Theorien eintreten. Ich finde es in dieser Hinsicht sehr wertvoll, dass sich im Zusammenhang mit der Corona-Krise viele Prominente auf Instagram und anderen Kanälen für die politischen Massnahmen und die wissenschaftlichen Erkenntnisse dahinter stark gemacht haben. Sie haben damit ihre Vorbildfunktion wahrgenommen. Vorbild im Kleinen kann aber jede Frau und jeder Mann sein.
Abschließend bitte ich sie um eine kurze zusammenfassende Aussage zu Ihrem heutigen Anliegen.
Verschwörungstheorien gedeihen in Krisenzeiten. Auch die Corona-Krise führt zur Verbreitung von abstrusen Annahmen und Deutungen. Dies kann – und das merken wir derzeit so unmittelbar war sonst selten – im Zweifelsfall tödliche Folgen haben. Jeder sollte daher entsprechend seiner Möglichkeiten verhindern, dass sich Verschwörungstheorien weiterverbreiten.
Prof. Dr. Dirk Baier
Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
https://www.zhaw.ch/de/sozialearbeit/institute-zentren/idk
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