12.11.2023

Jüdisches Leben und die Erinnerung an den Nationalsozialismus werden massiv angegriffen

Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht Zivilgesellschaftliches Lagebild Antisemitismus #12

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Das von der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin vorgestellte Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus thematisiert die Angriffe auf die deutsche Erinnerung nicht zuletzt im Kontext des Hamas-Terrors gegen Israel. Die extreme Rechte greift die Erinnerung seit Jahrzehnten an. Sie setzt die Angriffe im Windschatten der Verherrlichung des Terrors gegen Israel fort. Linke und pro-palästinensische Milieus stimmen ein und fordern „Free Palestine from German guilt“. Kleinster gemeinsamer Nenner: Schuldabwehr. Die Amadeu Antonio Stiftung sieht in den Angriffen, die im Zuge der deutschlandweiten Reaktionen auf den Hamas-Terror eine neue Dimension erreichen, eine brandgefährliche Entwicklung. Das Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus #12 ist unter www.lagebild-antisemitismus.de abrufbar.

In diesem Sommer zeigte sich besonders deutlich, dass die Angriffe auf die Erinnerung die Arbeit der Gedenkstätten massiv behindern. Wöchentlich gab es Angriffe auf Erinnerungsorte. Das Thema verschwand dennoch schnell wieder aus dem medialen Fokus. Der Grund: Am 7. Oktober überfiel die Terrororganisation Hamas die israelische Zivilbevölkerung. Mehr als 1.400 Israelis wurden ermordet, mehr als 200 sind nach wie vor in den Gazastreifen verschleppt, tausende Raketen seitdem auf Israel abgefeuert. Der 7. Oktober bedeutet eine tiefgreifende Zäsur in der Geschichte Israels – mit drastischen Auswirkungen für Jüdinnen*Juden in Deutschland: Häuser wurden mit Davidsternen markiert, Synagogen mit Brandsätzen attackiert und die Forderungen nach einem „Schlussstrich“ wurden von allen Seiten lauter. Die neueste Welle des Antisemitismus demonstriert, wie selbst Antisemitismus für eine Demontage der Erinnerungskultur genutzt wird. Scheint die Erinnerungskultur selbst nach wie vor in Deutschland unantastbar, wird nun der Hass auf Jüdinnen und Juden auf perfide Art und Weise instrumentalisiert, um Erinnerung anzugreifen. Das Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus #12 nimmt die Risse in der Erinnerung an den Nationalsozialismus in den Blick und ergänzt die aktuell geführte Antisemitismuskritik um eine spezifisch deutsche Facette: Jede Art von Antisemitismus in diesem Land bringt auch einen Ruf nach einem Schlussstrich mit sich.

„Nach dem Hamas-Terror vom 7. Oktober ist die Solidarität mit Jüdinnen und Juden in weiten Teilen der Gesellschaft erschreckend gering“, erklärt Dr. Nikolas Lelle, Projektleiter der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung. „Statt einer Welle der Solidarität erfahren Jüdinnen und Juden eine Welle des Hasses. Nicht nur auf deutschen Straßen, sondern global. Das hat auch Auswirkungen auf Shoah-Überlebende und das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus! Gedenkorte, die an die Shoah erinnern, werden mit israelfeindlichen Schmierereien und Stickern beschädigt. Das zeigt: Jede Art von Antisemitismus in diesem Land bringt auch einen Ruf nach einem Schlussstrich mit sich.“

Die Hamas-Solidarität, die auf deutschen Straßen zu beobachten ist, befeuert den Antisemitismus. Dr. Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, betont: „Ein Projekt wie die Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus spüren die Stimmung, die in Deutschland herrscht, ganz konkret. Bundesweit werden Plakate beschädigt und zerstört. Veranstaltungen müssen aufgrund der akuten Gefährdungslage abgesagt werden. Antisemitinnen und Antisemiten bekämpfen die Antisemitismusbekämpfung. Hier stehen wir, 85 Jahre nach den Novemberpogromen. Das macht deutlich: Die Bekämpfung des Antisemitismus ist wichtiger denn je.“

Deborah Hartmann, die Leiterin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, wird in ihrer alltäglichen Erinnerungsarbeit mit einer Vielzahl an Angriffen konfrontiert. Sie berichtet über die Angriffe: „Ob antisemitische Schmierereien an der Fassade oder NS-relativierende Kommentare im Gästebuch: Die Angriffe haben System und Regelmäßigkeit. Wir beobachten mit Sorge, dass die Angriffe zunehmen und geradezu unverhohlen in Erscheinung treten. Daher sind wir als Gedenk- und Bildungsstätte gefordert, eine klare Haltung zu zeigen und die Bekämpfung des erstarkenden Antisemitismus zu intensivieren.“

Studien belegen seit Jahren, dass der Antisemitismus in Deutschland wieder wächst. Prof. Dr. Beate Küpper, die an der Hochschule Niederrhein forscht und Co-Herausgeberin der renommierten Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung und des Instituts für interdisziplinäre Konlikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld ist, stellt fest: „Unsere kürzlich erschienene Mitte-Studie 2022/23 veranschaulicht den deutlichen Anstieg antisemitischer Einstellungen in Deutschland und gerade bei Jüngeren. Und wer antisemitische Einstellungen teilt, neigt auch eher zu anderen demokratiegefährdenden und rechtsextremen Einstellungen. Es ist mit der Eskalation des Nahostkonflikts leider zu befürchten, dass die Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden weiter zunehmen werden.“ Anhand der aktuellen Mitte-Studie wird deutlich, dass die qualitativen Einschätzungen, die im Zivilgesellschaftlichen Lagebild Antisemitismus #12 vermittelt werden, durch quantitative Untersuchungen gedeckt sind.

Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

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