Sexueller Missbrauch von Kindern: Fallzahlen im Jahr 2023 um 5,5 Prozent gestiegen
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Das Bundeskriminalamt (BKA) verzeichnet weiterhin einen Anstieg der Fallzahlen bei Sexualdelikten gegen Kinder und Jugendliche. Insbesondere in den Bereichen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und der Herstellung, Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinder- und jugendpornografischer Inhalte sind die Fallzahlen deutlich angestiegen. Dies geht aus dem heute vorgestellten Bundeslagebild 2023 hervor.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser: „Jeden Tag werden in Deutschland 54 Kinder und Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch. Das sind entsetzliche Taten, die uns tief berühren und fassungslos machen. Die meisten Opfer kannten die Täter, weil es Familienangehörige sind, Freunde oder Bekannte. Hinzuschauen und zu handeln, wann immer Gefahren für Kinder drohen – das ist eine zentrale Aufgabe des Staates, aber auch unserer Gesellschaft insgesamt.
Unsere Ermittlungsbehörden arbeiten mit Hochdruck daran, andauernde Missbrauchstaten zu beenden und die Täter schnell und konsequent zu ermitteln. Die Täter dürfen sich nirgendwo sicher fühlen. Wir brauchen daher auch eine Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen bei den Anbietern, um Täter zu identifizieren und Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Dafür werde ich mich weiter stark machen.“
BKA-Vizepräsidentin Martina Link: „Die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder hat für das Bundeskriminalamt schon seit langem eine hohe Priorität. Die Opfer von sexuellem Missbrauch sind häufig schwer traumatisiert und kämpfen nicht selten ein ganzes Leben lang mit den Folgen der Tat. Angesichts der zunehmenden Hinweise und steigenden Fallzahlen haben wir unsere Auswertefähigkeiten und die Zusammenarbeit mit den Polizeien der Länder verstärkt und werden unsere technischen Fähigkeiten weiter ausbauen, um Täter noch schneller und effektiver zu identifizieren.“
Kerstin Claus, Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs: „Kinder und Jugendliche trennen heute nicht mehr zwischen Offline- und Online-Welt. Hinter den vielen Bildern und Videos, die im Netz kursieren, steckt häufig akute und lang andauernde sexuelle Gewalt. Um Kinder und Jugendliche im digitalen Raum künftig besser zu schützen, müssen auch für das Netz Schutzstandards entwickelt und umgesetzt werden. Hier stehen wir vor immensen Herausforderungen, wie es die vorliegenden Zahlen der ausermittelten Fälle zeigen. Für diese brauchen wir gesamtgesellschaftliche Lösungen, an denen Eltern, Bildungseinrichtungen, Plattformanbieter sowie Jugendliche selbst zu beteiligen sind.“
Im Jahr 2023 registrierten die Strafverfolgungsbehörden 16.375 Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern (5,5 Prozent mehr als im Jahr 2022). Im Fünf-Jahres-Vergleich seit 2019 bedeutet dies einen Anstieg von rund 20 Prozent. 18.497 Kinder unter 14 Jahren wurden dabei zu Opfern sexuellen Missbrauchs, was einer Steigerung um 7,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auffallend ist der hohe Anteil tatverdächtiger Kinder und Jugendlicher mit erneut rund 30 Prozent.
Sexuellen Missbrauch von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren stellte die Polizei in 1.200 Fällen fest (5,7 Prozent mehr als 2022). 1.277 Opfer wurden registriert (plus 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr). Dies stellt einen Höchstwert im Fünf-Jahres-Vergleich dar. In mehr als jedem zweiten Fall bestand eine Vorbeziehung zwischen Opfer und Tatverdächtigem.
Weiterhin zeigt sich, dass die Opfer im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und auch von Jugendlichen zu rund drei Viertel weiblich sind.
Die Anzahl der Fälle von Herstellung, Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen und erreichte im Berichtsjahr 2023 mit 45.191 Fällen einen neuen Höchstwert (plus 7,4 Prozent). Seit dem Jahr 2019 haben sich die Fallzahlen damit mehr als verdreifacht.
Ein besonders starker Anstieg ist bei jugendpornografischen Inhalten festzustellen. Diese sind im Jahr 2023 um rund 31 Prozent auf 8.851 Fälle angestiegen. Auffällig ist, dass die Tatverdächtigen in vielen Fällen selbst minderjährig sind (bei kinderpornografischen Inhalten: 38 Prozent; bei jugendpornografischen Inhalten: 49,5 Prozent).
Aufgrund der Strafrechtsreform 2021 kommt dem Internet als Tatmittel und Tatort eine gestiegene Bedeutung zu. Die Vorbereitung von Taten etwa durch das Verbreiten von Missbrauchsanleitungen sowie der sexuelle Missbrauch ohne Körperkontakt mit dem Kind bilden seit der Strafrechtsreform eigene Straftatbestände. Dies betrifft unter anderem Phänomene wie „Cybergrooming“ und „Live Distance Child Abuse“. Beim Cybergrooming stellen Tatverdächtige Kontakt zu potenziellen Opfern über das Internet her, während bei dem Phänomen „Live Distance Child Abuse“ das Internet zur Übertragung der Missbrauchshandlungen in einem Livestream genutzt wird.
In das Lagebild sind Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) und Ergebnisse verschiedener Forschungsprojekte eingeflossen. Über die genannten Zahlen hinaus enthält es weitere Informationen zu den verschiedenen Phänomenbereichen.
www.praeventionstag.de