Polizei-Newsletter Nr. 289, Oktober 2024
Weitere News
zu dem Thema
1. Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit aus der Betroffenenperspektive
Die Kernbefunde aus dem Forschungsprojekt „HateTown – Vorurteilsgeleitete Handlungen in urbanen Räumen“ sind Online zugänglich. Demnach unterscheiden sich die untersuchten vulnerablen Gruppen deutlich von Angehörigen der autochthonen Mehrheitsbevölkerung in ihren Diskriminierungserfahrungen. Menschen mit queerer Geschlechtsidentität (94,1 %), Muslime (80, 5 %) und Menschen mit nichtheterosexueller Orientierung (80,2 %) berichten am häufigsten von erlebten diskriminierenden Situationen. 40,3 % der Befragten muslimischen Glaubens berichten, in ihrem Leben schon einmal situative Diskriminierungserfahrungen im Kontakt mit der Polizei erlebt zu haben. https://akademie-der-polizei.hamburg.de/forschungsprojekt-770994
2. Erfassung von Hasskriminalität in Österreich
Hasskriminalität wird in Österreich von der Polizei seit 2020 in einer eigens hierfür geschaffenen Registerkarte im Protokollierungssystem der Polizei (PAD) systematisch erfasst, um die Sichtbarmachung des Phänomens/der Betroffenheit der verschiedenen Gruppen zu erzielen und die Basis für datenbasierte Präventionsarbeit zu schaffen. Die Polizei wird seither flächendeckend im Erkennen und Erfassen von Vorurteilsmotiven geschult und sämtliche Einträge im Rahmen einer umfassenden Qualitätskontrolle geprüft. Im Jahr 2024 wurde bereits der 3. Bericht zu Hate Crimes in Österreich veröffentlicht: https://www.bmi.gv.at/408/Projekt/start.aspx
3. Fundamentalkritik der Psychiatrie: Psychoexodus Schweiz
Ein Verein in Zürich setzt sich für die Freilassung von Zwangspsychiatrisierten und für die Verteidigung ihrer Menschenrechte ein, er vertritt ihre Interessen, berät und begleitet sie. Er vermittelt er AnwältInnen, ÄrztInnen, SozialarbeiterInnen und Laien, welche die Entlassungs- und Eingliederungsbestrebungen. http://psychexodus.ch. Dort findet man auch eine Fundamentalkritik der Zwangspsychiatrie: http://edmund.ch/more/1/FundamentalkritikZwangspsychiatrie.pdf
4. Einfluss rechtsextremer und weißer supremistischer Gruppen in den USA
Ein ehemaliger Scharfschütze der US-Armee verbrachte ein Jahrzehnt damit, Ku-Klux-Klan-Sektionen in Florida zu infiltrieren, um die dauerhaften Verbindungen zwischen den Strafverfolgungsbehörden und der weißen supremistischen Organisation zu untersuchen. Zu diesem Auftrag gehörte auch die Vereitelung eines Mordkomplotts eines Trios von Klanmitgliedern, die als Gefängniswärter arbeiteten. Nun hat er ein Buch mit dem Titel „White Robes and Broken Badges“ veröffentlicht, in dem er diese Erfahrungen detailliert schildert - und die Lehren, die er daraus gezogen hat, auf die bevorstehenden Wahlen anwendet. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1135
5. Begegnungen zwischen Polizei und Jugendlichen
Forscher betonen zunehmend die Dynamik sozialer Situationen, wenn sie Begegnungen zwischen gefährdeten Jugendlichen und Polizeibeamten untersuchen. Auf der Grundlage zahlreicher Feldbeobachtungen von Interaktionen in Großbritannien wird in diesem Artikel untersucht, wie sich die Beziehungen zwischen Polizei und Jugendlichen in verschiedenen Situationen verändern. Die Dynamik der Beziehungen hängt von folgenden Faktoren ab: (1) dem konkreten physischen Ort der Interaktion, (2) dem anwesenden Publikum und (3) den Emotionen, die aktiviert werden. Eine größere Sensibilität für die Merkmale solcher sozialer Situationen könnte sich als nützlich erweisen, um effizientere präventive Interventionen und Polizeistrategien zu entwickeln. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1136
6. Einstellungen der Bevölkerung zu Straftaten und Bestrafung zwischen 1964 und 2023
In diesem Beitrag wird der bisher größte Satz britischer Umfragen zur Strafjustiz (1.190 Frage-Jahres-Paare) zusammengestellt und zur Messung der Besorgnis über Kriminalität, der Strafwürdigkeit, der Unterstützung für die Todesstrafe und der Priorisierung von Kriminalität als soziales Problem von den 1960er Jahren bis heute verwendet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Besorgnis und die Prioritätensetzung bis in die 1970er Jahre hinein stetig zunahmen, bevor sie ab Mitte der 2000er Jahre zurückgingen. Die Unterstützung für härtere Polizeieinsätze und Strafen schwankte bis in die späten 1990er Jahre stark. Die Besorgnis über die Kriminalität reagiert besonders stark auf die tatsächliche Kriminalitätsrate. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1137
7. Interprofessionelle Kooperation zwischen Polizei und Sozialer Arbeit in der gemeinwesenorientierten Prävention von Partnergewalt
Mit diesem Thema beschäftigt sich ein Beitrag, dessen Ausgangspunkt eine Untersuchung der Zusammenarbeit zwischen dem Projekt StoP (Stadtteile ohne Partnergewalt) und der Polizei in Österreich ist. Es wird problematisiert, dass es sowohl an einer klaren Konzeptualisierung der Community-Policing-Initiative GEMEINSAM.SICHER als auch einer fundierten sozialarbeitswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Prävention mangelt. https://soziales-kapital.at/index.php/sozialeskapital/article/view/800/1500
8. Polizei und Bekämpfung der italienischen Mafia in Baden-Württemberg
Auf eine Anfrage im Landtag Baden-Württemberg, in der u.a. gefragt wurde, wie viele Personen aus dem Bereich der italienischen organisierten Kriminalität aktuell in Baden-Württemberg leben oder sich aufhalten hat das Innenministerium die Zahlen (insg. ca. 170) mitgeteilt sowie weitere Angaben gemacht. So wurde mitgeteilt, dass bei den 13 regionalen Polizeipräsidien zwischen zehn und 15 Ermittler zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eingesetzt werden. Hinzu kommen rund 50 Ermittlerinnen im LKA. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1138
9. Keine Kriminalitätsreduktion durch gemeindeorientierte Polizeiarbeit?
Eine der wichtigsten Innovationen im Bereich der Polizeiarbeit der letzten drei Jahrzehnte ist die gemeindeorientierte Polizeiarbeit. Untersuchungen sind zu dem Schluss gekommen, dass es keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass bürgernahe Polizeiarbeit die Kriminalität verringert. In diesem Papier wird argumentiert, dass diese Schlussfolgerungen aufgrund der so genannten CRS-Verzerrung (crime reporting sensitivity) wahrscheinlich fehlerhaft sind. Die CRS-Verzerrung tritt auf, weil die bürgernahe Polizeiarbeit zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit der Polizei und in der Folge zu einer erhöhten Kriminalitätsberichterstattung führt. Eine derartige Verzerrung der Kriminalitätsberichterstattung korrigiert die Ergebnisse der Kriminalprävention durch Community Policing nach unten. Die Autoren veranschaulichen diesen Prozess, indem wir Daten neu analysieren. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/2755323X241233469
10. Glock soll seine Handfeuerwaffen ändern
Die Schalter, die auch als Auto-Sears bezeichnet werden, wurden speziell für den Einbau in die Rückseite von Glock-Handfeuerwaffen entwickelt und verwandeln diese effektiv in Maschinengewehre. In den letzten zehn Jahren sind mit Schaltern ausgestattete Glocks immer häufiger an Tatorten aufgetaucht. Zwischen 2017 und 2021 sollen in den USA mehr als 5.400 solche Switches und andere Umrüstvorrichtungen sichergestellt worden sein. Die Verbreitung solcher Switches hat das Unternehmen unter Druck gesetzt, seine Produkte zu überarbeiten. Die Stadt Chicago hat eine Klage angestrengt, in der sie Glock auffordert, seine Handfeuerwaffen so zu ändern und beschuldigt den Waffenhersteller, die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Dreizehn Generalstaatsanwälte von Bundesstaaten haben ihre Absicht signalisiert, ähnliche Klagen einzureichen. https://www.thetrace.org/2024/09/glock-switch-lawsuits-pistol-design/
11. Die „kriminalbehördliche Informationsordnung“
Unter diesen etwas sperrigen Titel ist eine umfangreiche Arbeit erschienen, die sich mit den praktischen Anforderungen an Dateien und Informationssysteme beschäftigt, die Polizei und Staatsanwaltschaften verwenden. Beide speichern heute in einem kaum überschaubaren Umfang Daten. Diese Arbeit untersucht diese „kriminalbehördliche Informationsordnung“ aus juristischer und kriminologischer Sicht. Sie betrachtet die hierfür geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Perspektiven dieses Feldes, das für die Sicherheitsproduktion immer bedeutsamer wird, aber auch Risiken für Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt. Die Studie ist online open access verfügbar unter https://digitalrecht-oe.uni-trier.de/index.php/droe/catalog/book/10
12. Real-Time-Crime-Index
Im September 2024 stellte der Kriminalitätsanalytiker Jeff Asher den Real-Time Crime Index (RTCI) vor, der eine neue Art der Betrachtung von Verbrechensdaten bieten soll, indem er aktuelle Verbrechensdaten von Hunderten von Strafverfolgungsbehörden in den USA sammelt, um nationale Verbrechensentwicklungen so darzustellen, wie sie noch nie zuvor gesehen wurden: während sie sich entwickeln. Das RTCI verfügt derzeit über Daten von mehr als 350 Behörden, die mehr als 80 Millionen Menschen abdecken. Die nationale Stichprobe deckt derzeit etwa 25 Prozent der Bevölkerung ab. https://realtimecrimeindex.com/
13. Wie erklärt die Öffentlichkeit polizeiliches Fehlverhalten?
Der Frage, warum öffentliche Reaktionen auf polizeiliches Fehlverhalten polarisiert sind, geht eine Studie in den USA nach, die Zuschreibungen von polizeilichem Fehlverhalten anhand einer bevölkerungsgleichen nationalen Stichprobe untersucht. Die Autoren fanden heraus, dass die Zuschreibungen unterteilt werden können in (a) facettenreiche Zuschreibungen - die Überzeugung, dass Fehlverhalten mehrere Ursachen hat - und (b) entschuldigende Zuschreibungen - die Überzeugung, dass Fehlverhalten durch Faktoren außerhalb von Polizeibeamten und Behörden verursacht wird. Die Befürwortung dieser Zuschreibungen geht auf rassische und politische Einstellungen zurück, wobei Mediationsanalysen ergeben haben, dass Ethnie eine indirekte Rolle bei der Befürwortung von Zuschreibungen polizeilichen Fehlverhaltens spielt. Die Bemühungen, polizeiliches Fehlverhalten zu bekämpfen, sind also nicht nur ein politischer Machtkampf, sondern auch ein Kampf um rassistische Einstellungen. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/00938548241253737
14. Was macht die „Polizeipersönlichkeit“ aus?
In der Forschung wird viel über die „Polizeipersönlichkeit“ diskutiert. Dennoch ist unklar, welche besonderen Merkmale die Polizeipersönlichkeit ausmachen oder ob sie überhaupt existiert. In der vorliegenden Studie wird anhand einer US-weit repräsentativen Stichprobe von Erwachsenen untersucht, ob die Big-Five-Persönlichkeitsmerkmale, Temperamentseigenschaften und empirisch ermittelte Kovariaten mit dem Beruf des Polizeibeamten zusammenhängen. Die Ergebnisse zeigen, dass im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung die Offenheit für Erfahrungen bei Polizeibeamten deutlich geringer ist. Polizeibeamte sind außerdem häufiger als Nicht-Polizeibeamte von einer Scheidung betroffen und politisch konservativ eingestellt. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/10986111231193032
15. Statistik über die Verurteilung von Messern und Offensivwaffen in GB
In Großbritannien werden regelmäßig Zahlen zu Verurteilungen wegen Straftaten in Verbindung mit Messern und anderen Offensivwaffen veröffentlicht (keine Polizeidaten). Demnach sind u.a. ca. dreiviertel der Verurteilten zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1139
16. Studie zur Stimmungslage in Deutschland
Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine Studie zur Stimmung in Deutschland veröffentlicht. Demnach ist das politische Klima von einer tiefgreifenden Verunsicherung und Unzufriedenheit geprägt. Sie hat das Potenzial, die politische Landschaft maßgeblich zu verändern. Über alle Wählergruppen hinweg dominiert Pessimismus, trübt gar Resignation den Blick auf die Zukunft. Diese Stimmungslage scheint vielmehr Ausdruck eines generellen Vertrauensverlustes in die Fähigkeit politischer Institutionen zu sein, auf die Herausforderungen der Zeit adäquat zu reagieren. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1140
17. Wahrnehmungen von Antisemitismus und jüdischem Leben bei der Polizei.
Eine Interviewstudie bei der Landespolizei Nordrhein-Westfalen untersucht die Bedeutung der Polizei für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und für den Schutz von jüdischem Leben. Bisher lagen keine empirischen Erkenntnisse zu diesem Themengebiet vor. Die Ergebnisse der Studie bilden daher eine Grundlage für die weitere Professionalisierung der Polizei im Umgang mit Antisemitismus. https://doi.org/10.46586/E3.300
18. Drohnen als „first responder“ nach Polizeinotruf
In Santa Monica, Kalifornien setzt die Polizei jetzt Drohnen als „first responder“ nach einem Notruf ein. Die Drohne kann teilweise innerhalb von 30 Sekunden vor Ort sein und der Polizei ein Bild davon geben, was vor Ort geschieht. http://www.polizei-newsletter.de/links.php?L_ID=1141
19. Studie aus Deutschland zu Vertrauen in die Polizei und „Verfahrensgerechtigkeit“
In Übereinstimmung mit der internationalen Forschung zeigen die Ergebnisse signifikante Auswirkungen normativer Prädiktoren für das Vertrauen in die Polizei, wie z. B. wahrgenommene Fairness und Vertrauen der Nachbarschaft. In dieser Studie werden die Auswirkungen von zwei Kontextvariablen (Sozialhilfeempfänger und offizielle Kriminalitätsraten) auf das Vertrauen der Nachbarschaft in die Fairness der Polizei untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Auswirkungen persönlicher Bewertungen der Nachbarschaft, persönlicher Nachteile und Erfahrungen mit der Polizei die Auswirkungen des Nachbarschaftskontexts übersteigen. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0032258X231186946
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