Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ legt Handlungsempfehlungen vor
Rund zweieinhalb Jahre nach ihrer Einsetzung hat die Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ des Landtages von Baden-Württemberg am 10. Juli, 2024 mit der Vorstellung des 884 Seiten umfassenden Abschlussberichts im Plenum ihre Arbeit beendet. „Die Enquetekommission hat mit zahlreichen Expertenanhörungen und Bürgerbeteiligungen Handlungsempfehlungen für eine erfolgreiche Bewältigung zukünftiger Krisen herausgearbeitet“, sagte der Vorsitzende Alexander Salomon (Grüne) bei der abschließenden Pressekonferenz, an der auch die Obleute der Fraktionen teilgenommen haben.
Nach Angaben Salomons hat der Landtag anlässlich der vorausgegangenen Krisen durch insbesondere die Pandemie, extreme Wetterereignisse, Bedrohungen kritischer Infrastrukturen und Kriege in der Plenarsitzung am 9. März 2022 auf Antrag der Fraktionen GRÜNE und CDU beschlossen, eine Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ einzusetzen. Die Enquetekommission, der 14 Landtagsabgeordnete und acht Sachverständige als externe Mitglieder angehören, hat ihre Arbeit am 7. April 2022 aufgenommen. Übergeordnetes Ziel der Enquetekommission war es, das baden-württembergische Gemeinwesen in den Feldern Gesundheit, öffentliche Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft auf künftige Krisen vorzubereiten, die Krisenvorsorge optimal zu gestalten und die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft zu stärken. Die Kommission hat in 22 öffentlichen Sitzungen 136 Sachverständige angehört.
Ein wichtiges Element der Enquetekommission „Krisenfeste Gesellschaft“ war die Verzahnung mit dem parallel zur Tätigkeit der Enquetekommission stattfindenden Bürgerforum „Krisenfeste Gesellschaft“ sowie der Kinder- und Jugendbeteiligung. Die Bürger tagten hier insgesamt sieben Mal und erarbeiteten hierbei 35 Empfehlungen und vier Leitsätze, die der weiteren Arbeit der Enquetekommission zugrunde gelegt wurden und den Mitgliedern des Gremiums wertvolle Hinweise gaben. Die Kommission möchte allen Beteiligten hier noch einmal für ihr großes Engagement danken.
Zu den von der Enquetekommission erarbeiteten Handlungsempfehlungen gehören unter anderem:
- Eine HiAP-Strategie (Health in All Policies -Gesundheit in allen Politikfeldern) soll ressortübergreifend und unter Beteiligung der bestehenden gesundheitspolitischen Gremien, insbesondere der Landesgesundheitskonferenz, auf der Grundlage von klar definierten Gesundheitszielen für das Land erarbeitet werden. Darin sollen Themen von herausragender Bedeutung für die Gesundheit wie der Klimawandel und die Reduzierung sozialer Ungleichheit berücksichtigt werden.
- Die Landesregierung soll sich für eine europäische Strategie, Koordinierung und Solidarität bei Notfallmaßnahmen in grenzüberschreitenden Krisenfällen einsetzen.
- Konzepte zur landesweiten Versorgungssicherheit bei der Beschaffung, Bevorratung und Ausgabe von Medikamenten, Medizinprodukten und Schutzgütern mit umfassenden Strategien (zentral oder eher dezentral) sind zu entwickeln, vorzuhalten bzw. vorhalten zu lassen und fortlaufend zu aktualisieren.
- Die Enquetekommission empfiehlt die rechtsverbindliche Festlegung von adäquaten Katastrophenschutzbedarfsplanungen auf der Grundlage von Risikoanalysen und denkbaren Schadensszenarien auf Landes-, Kreis- und Gemeindeebene unter Berücksichtigung der Kritischen Infrastrukturen.
- Die Leitstellenstruktur in Baden-Württemberg soll mittels eines Leitstellengesetzes auf Grundlage der Beschlüsse der Lenkungsgruppe „Leitstellenstruktur“ neu und modern unter den Gesichtspunkten der Effektivität und der Effizienz strukturiert werden.
- Das Computer Emergency Response Team (CERT) in der Cybersicherheitsagentur soll personell und finanziell so gestärkt werden, dass es für alle staatlichen Einrichtungen auf kommunaler Ebene und für kleinere und mittlere Unternehmen zum Einsatz kommen kann.
- Die Beachtung der intensiv kommunizierten Forderung nach Deregulierung, Entbürokratisierung und vor allem nach Standard- und Aufgabenkritik ist über die bereits eingeleiteten Maßnahmen der Allianz aus Landesregierung, kommunalen Landesverbänden und fünf Wirtschafts- und Finanzverbänden im Sommer 2023 hinaus auszubauen und zu beschleunigen.
- Die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts soll ressortübergreifend vorangetrieben werden und dabei ist insbesondere auf eine inklusive Identität, den Schutz vulnerabler Gruppen und starke Institutionen abzuzielen.
- Die Qualifizierung von Engagierten bei bürgerlichem Engagement soll finanziell und fachlich gefördert werden.
- Medienkompetenz soll fächerintegrativ und spiralcurricular in alle Bildungspläne aufgenommen werden. Schülerinnen und Schüler sollen zum Beispiel lernen, was professionellen Journalismus auszeichnet. Dabei ist die Sprach- und Lesekompetenz als Schlüssel für Medienkompetenz mitzudenken. Es ist zu prüfen, inwiefern Jugendverbände, Studierende und andere Akteure eingebunden werden können, um die Schule in der Umsetzung der Angebote zu unterstützen. Das Informationsfreiheitsgesetz ist zu evaluieren und umfassend zu novellieren, da dieses im Umgang mit Desinformationen sehr wichtig ist.
Für die Fraktionen nahmen die Abgeordneten Petra Krebs (Grüne), Dr. Matthias Miller (CDU), Florian Wahl (SPD), Nikolai Reith (FDP/DVP) und Carola Wolle (AfD) an dem Pressegespräch teil. Die Obleute stellten ihre Sicht auf die Tätigkeit der Enquetekommission sowie auf die beschlossenen Handlungsempfehlungen dar. Die Fraktionen SPD und FDP/DVP fügten dem Abschlussbericht Minderheitenvoten an.
Der vollständige Abschlussbericht ist auf der Website des Landtags veröffentlicht: https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP17/Drucksachen/7000/17_7000_D.pdf
www.praeventionstag.de