14.06.2022

Lehren aus der Pandemie: Kommunikation in der Coronakrise

Weitere News
zu dem Thema

„Trotz einer Flut an Corona-Nachrichten fühlten sich viele Menschen schlecht informiert. Viele Meldungen und Talk-Shows sorgten eher für Verunsicherung als für Klarheit, Fake News erschwerten den Durchblick. Um künftige Pandemien effizienter zu bekämpfen, muss die Kommunikation in der Krise klarer werden.

Für die Einen war die Coronapandemie ein Bildungsprogramm in Sachen Wissenschaft und Medizin. Sie lauschten gebannt den zahllosen Nachrichtenbeiträgen und Podcasts zum Thema, lasen Hintergrundartikel und verfolgten die TV-Brennpunkte zur besten Sendezeit. Auf der anderen Seite versammelten sich aber auch viele hinter den Schlagworten der Querdenker-Demonstrationen, wo wissenschaftliche Erkenntnisse kritisiert, ignoriert oder für falsch erklärt wurden.

Die große Mehrheit der Menschen wird sich dazwischen bewegt haben: Sie verfolgten die Meldungen zu Fallzahlen, R-Werten und Inzidenzen und versuchten, sie zu verstehen. Und sie haben sich immer wieder die Mühe gemacht herauszufinden, welche Corona-Regeln eigentlich aktuell in ihrem Bundesland und ihrer Region gelten. Einfach war das nicht, meint die Psychologin Mirjam Jenny die an der Universität Erfurt zum Thema Gesundheitskommunikation forscht: „Bei Covid war es ja auch so, dass die Zuständigkeiten einfach nicht richtig klar waren.“

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung war überfordert

Eigentlich soll die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung die Öffentlichkeit informieren. Dafür nutzt sie normalweise breite Kampagnen mit viel Vorlauf. Mit der ständig sich ändernden Coronalage war die Behörde überfordert. Besorgte Bürger und Journalisten studierten deshalb die Berichte des Robert-Koch-Institutes, obwohl die sich eigentlich an medizinisches Fachpersonal richten und ohne Vorwissen schwer verständlich waren. Das RKI ist für die Fakten zuständig, gibt auch Empfehlungen. Aber Regeln erlassen kann nur die Politik, sagt Mirjam Jenny: „Was dann passiert ist, ist, dass ein politischer Akteur, also das Gesundheitsministerium, auch die Ressourcen für die Kommunikation massiv monopolisiert hat.“

Klare Botschaften, klarer Kurs – anfangs funktionierte das

Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wollte einen klaren Kurs steuern und in der ersten Welle funktionierte das auch. Steigende Fallzahlen, volle Kliniken, eindeutige Botschaften. Aber schon im ersten Lockdown meldeten sich immer weitere Akteure aus Politik und Wissenschaft zu Wort, sagt die Journalismusforscherin Irene Broer vom Leibniz Institut für Medienforschung in Hamburg: „Die Kommunikation während der Coronapandemie war auf jeden Fall sehr beweglich, würde ich mal sagen und manchmal auch ziemlich unübersichtlich. wegen viele Akteuren, viele unterschiedliche Nachrichten, die dann verkündet wurden.“

Viele Akteure mit vielen Botschaften sorgten für Verwirrung

Die Konfliktlinie zwischen dem Bund und den eigentlich für die Gesundheitspolitik zuständigen Ländern war quasi vorprogrammiert und führt dazu, dass einstimmige Beschlüsse der MinisterpräsidentInnenrunde mit dem Bundesgesundheitsminister oft schon am nächsten Tag in Frage gestellt wurden – insbesondere dann, wenn irgendwo gerade Wahlkampf war. Auch die Wissenschaft präsentierte sich alles andere als einheitlich. Christian Drosten, Viola Priesemann, Hendrik Streek, Sandra Ciesek, sie alle interpretierten die aktuellen Studien unterschiedlich, zogen ihre eigenen – teils durchaus auch politischen – Schlussfolgerungen, die dann jeweils von bestimmten Medien prominent verbreitet wurden.

„Wissenschaft ist nie fertig“

Immer wieder mussten im Licht neuer Erkenntnisse auch scheinbare Wahrheiten korrigiert werden. Zum Beispiel die anfangs getroffene Aussage, Coronaviren würden kaum über Aerosole übertragen. Die Journalismusforscherin Irene Broer vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg bilanziert deshalb: „Ich denke, wir haben das als Gesellschaft auch tatsächlich jetzt gelernt, dass Wissenschaft eben nie fertig ist.“

Die Pandemie lieferte ein Lehrstück darüber, wie wissenschaftlicher Fortschritt funktioniert. Doch sie führte zugleich auch dazu, dass viele Menschen der Wissenschaft enttäuscht den Rücken kehrten, weil Forscher die klaren Antworten schuldig blieben, nach denen sich viele so sehnten. Die Verbreiter von Fake News erfüllten diesen Wunsch – mit einfachen Botschaften voller Lügen und Halbwahrheiten, die über soziale Medien viele erreichten.

Fake News lassen sich kaum verhindern

Die Psychologin Mirjam Jenny ist überzeugt: Absichtlich gestreute Falschnachrichten werden sich auch bei künftigen Pandemien kaum verhindern lassen. Fake News zeitnah richtig zu stellen, bleibe deshalb eine wichtige Aufgabe von Medien und Behörden. Aber es lohne sich auch genau hinzuhören, betont die Kommunikationsexpertin: „Man ist ja vielleicht immer schnell geneigt zu denken, was die Leute wieder für ein Mist glauben oder so. Aber viel wichtiger ist die Frage: Was wollen die Leute denn wissen? Warum gucken sie auf diese Seite?“

Diese offenen Fragen sind Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Kommunikation in der Krise. Hier wünscht sich Miriam Jenny für die Zukunft mehr Professionalität: „Das ist so ein Punkt, der jetzt langsam verstanden wird an vielen Stellen: Wissenschaftskommunikation ist eine Wissenschaft und das muss gut entwickelt werden. Das führt dann idealerweise zur Laien-verständlichen Kommunikation, zu Kommunikation auf Augenhöhe.“

Wissenschaftskommunikation muss professioneller werden

Konkret heißt das: Medien und Gesundheitsbehörden müssen viel mehr bieten als plakative Warnungen vor neuen Killermutanten oder simplen Aussagen wie „Impfen hilft“. Ein breit gefächertes Angebot an Informationen ist nötig, ausgehend von konkreten Fragestellungen – zum Beispiel ‚Wie kann ich die Großeltern sicher besuchen?‘ – am besten aufbereitet mit Graphiken, die veranschaulichen, wie hoch das Risiko etwa mit oder ohne Impfung ist. Idealerweise wird diese Information dann noch durch konkrete Handlungsmöglichkeiten ergänzt. Also automatische Einladung ins Impfzentrum statt ein Internetformular, das Opa ohne Hilfe der Enkelin kaum bewältigt.

Vertrauen muss im Vorfeld aufgebaut werden

Doch diese Art der Krisenkommunikation, räumt Mirjam Jenny ein, lasse sich in der Hektik einer Pandemie nur schlecht neu erfinden. Es sei deshalb wichtig vorbereitet zu sein: „Es ist nicht ideal, wenn während der Krise die Kommunikationsstrukturen erst aufgebaut werden müssen. Das sollte man ja eigentlich schon haben und die sollten auch schon zu anderen wichtigen Gesundheitsthemen kommunizieren, damit die Öffentlichkeit die schon kennt, damit ein Vertrauensverhältnis entsteht.“

Die aktuelle Aufregung um die Affenpocken bietet hier eine weitere Möglichkeit, Expertise und Vertrauen aufzubauen. Für den nächsten, womöglich weit gefährlicheren Erreger.“

Quelle: Deutschlandfunk

 
Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

Weitere News vom Dienstag, 14. Juni 2022


Bisherige News aus dem Bereich: Prävention in Zeiten der Corona-Pandemie

01.02.2022