Lehren aus Corona-Pandemie: Kommission will Binnenmarkt für Krisenzeiten stärken
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Die EU-Kommission will den Binnenmarkt mit einem neuen Notfallinstrument besser auf künftige Krisen vorbereiten. Damit soll gewährleistet werden, dass der freie Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr auch bei künftigen Notfällen funktioniert und wesentliche Waren und Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen EU-weit verfügbar gehalten werden. Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager erklärte: „Wie im Zuge der COVID-19-Pandemie deutlich wurde, müssen wir dafür sorgen, dass unser Binnenmarkt jederzeit – auch in Krisenzeiten – funktioniert. Wir müssen den Binnenmarkt stärken. Und wir brauchen neue Instrumente, mit denen wir rasch gemeinsam reagieren können, sodass wir bei jeder neuen Krise sicherstellen können, dass unser Binnenmarkt offen bleibt und lebenswichtige Waren – auch zum Schutz der Menschen in Europa – verfügbar sind. All das wird durch das neue Notfallinstrument für den Binnenmarkt möglich.“
Das Notfallinstrument für den Binnenmarkt ergänzt andere Legislativmaßnahmen der EU wie das Katastrophenschutzverfahren der Union sowie EU-Vorschriften für bestimmte Sektoren, Lieferketten oder Produkte wie Gesundheit, Halbleiter oder Ernährungssicherheit, die bereits gezielte Krisenreaktionsmaßnahmen vorsehen. Es schafft einen ausgewogenen Rahmen für das Krisenmanagement und dient dazu, verschiedene Bedrohungen für den Binnenmarkt zu ermitteln und dessen reibungsloses Funktionieren durch folgende Maßnahmen zu gewährleisten:
- Schaffung einer Krisengovernance-Architektur für den Binnenmarkt: Mit einem neuen Mechanismus soll der Binnenmarkt überwacht werden, um unterschiedliche Risikoniveaus zu ermitteln und eine angemessene Reaktion zu koordinieren, die mehrere Phasen – Eventualfallmodus, Überwachungsmodus und Notfallmodus – umfasst. Zunächst ermöglicht es der Rahmen für die Eventualfallplanung der Kommission und den Mitgliedstaaten, ein Koordinierungs- und Kommunikationsnetz für eine verstärkte Vorsorge einzurichten. In einem nächsten Schritt kann die Kommission den Überwachungsmodus aktivieren, wenn eine Gefährdung für den Binnenmarkt ausgemacht wird. Im Falle einer Krise mit weitreichenden Auswirkungen auf den Binnenmarkt kann der Rat schließlich den Notfallmodus aktivieren. Es wird eine aus Vertretern der Kommission und der Mitgliedstaaten bestehende Beratungsgruppe eingesetzt, die eine bestimmte Situation bewerten und Empfehlungen zu den für eine Reaktion geeignetsten Maßnahmen abgibt. Die Gruppe wird im gesamten Prozess eine wesentliche Rolle spielen.
- Vorlage von Vorschlägen für neue Maßnahmen gegen Bedrohungen für den Binnenmarkt: Im Überwachungsmodus würden sich Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit der Kommission darauf konzentrieren, die Lieferketten für bestimmte strategisch wichtige Waren und Dienstleistungen zu überwachen und strategische Reserven in diesen Bereichen aufzubauen. Bei Aktivierung des Notfallmodus wird die Freizügigkeit im Binnenmarkt durch eine schwarze Liste verbotener Beschränkungen und generell durch eine verstärkte und rasche Überprüfung einseitiger Beschränkungen aufrechterhalten. Die Kommission kann den Mitgliedstaaten auch empfehlen, die Verfügbarkeit krisenrelevanter Waren durch den Ausbau oder die Umwidmung von Produktionslinien oder beschleunigte Genehmigungsverfahren sicherzustellen. Schließlich kann sie den Mitgliedstaaten empfehlen, die während der Überwachungsphase aufgebauten strategischen Reserven gezielt zu verteilen. Durch neue Vorschriften wird ferner dafür gesorgt, dass die Kommission relevante Waren und Dienstleistungen im Namen der Mitgliedstaaten sowohl im Überwachungs- als auch im Notfallmodus einfacher beschaffen kann.
- Genehmigung von als letztes Mittel einzusetzenden Maßnahmen in einem Notfall: Unter außergewöhnlichen Umständen und nur wenn der Notfallmodus aktiviert wurde, kann die Kommission auch Instrumente einsetzen, für die eine gesonderte Aktivierung erforderlich ist. In diesem Fall kann die Kommission gezielte Auskunftsersuchen an die Wirtschaftsteilnehmer richten, deren Beantwortung für verbindlich erklärt werden kann. Sie kann sie auch auffordern, vorrangige Bestellungen für krisenrelevante Produkte anzunehmen. Die Unternehmen müssen diese entweder annehmen oder die deren Ablehnung rechtfertigenden schwerwiegenden Gründe erläutern. Darüber hinaus können dank einer schnelleren Prüfung und Zulassung – auch im Wege der Konformitätsbewertung – bestimmte Produkte rascher in Verkehr gebracht werden, sodass deren Verfügbarkeit in Notfällen gesichert sein wird. Die diesbezüglichen Vorschriften sind in gleichzeitig mit der SMEI-Verordnung erarbeiteten gesonderten Vorschlägen – nämlich in einem Vorschlag für eine Verordnung und in einem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung einer Reihe produktspezifischer Regelungen – festgelegt.
Nächste Schritte
Diese Vorschläge werden jetzt vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union erörtert. Nach der Annahme durch die gesetzgebenden Organe werden die Verordnungen am zwanzigsten Tag nach dem Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten.
Hintergrund
Seit fast 30 Jahren ist der Binnenmarkt für die EU von größtem Wert: Unseren Unternehmen bietet er Sicherheit, einen großen Markt sowie ein weltweites Sprungbrett und den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein breites Angebot hochwertiger Produkte. Während der Krisen der jüngsten Vergangenheit und insbesondere zu Beginn der COVID-19-Pandemie hatten die Unternehmen und die Menschen allerdings unter Einreisebeschränkungen und Versorgungsunterbrechungen sowie wenig vorhersehbaren Vorschriften zu leiden, die zu einer Zersplitterung des Binnenmarkts führten. Innerhalb der EU geltende Export- und Reisebeschränkungen, die zur Pandemiebekämpfung erlassen, in vielen Fällen aber schlecht konzipiert und für den Zweck kaum zu rechtfertigen waren, haben den freien Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr gestört, wirtschaftliche Kosten und Verzögerungen verursacht und die Krisenreaktion insgesamt behindert.
Mit dem am 19.09.2022 vorgelegten SMEI-Paket wurde auf Forderungen des Europäischen Rates eingegangen, der in seinen Schlussfolgerungen vom 1. und 2. Oktober 2020 feststellte, dass die EU Lehren aus der COVID-19-Pandemie ziehen und die noch bestehende Fragmentierung sowie die verbleibenden Hindernisse und Schwächen des Binnenmarkts bei der Bewältigung von Krisensituationen angehen sollte. Als Reaktion darauf kündigte die Kommission in ihrer im Mai 2021 vorgelegten Mitteilung zur aktualisierten Industriestrategie an, dass sie ein eigenes Instrument präsentieren wird, mit dem der freie Waren-, Dienstleistungs- und Personenverkehr sichergestellt sowie mehr Transparenz und Koordinierung in Krisenzeiten gewährleistet werden sollen. Das Europäische Parlament begrüßte den Plan der Kommission, ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt zu erarbeiten, und forderte die Kommission auf, dieses als rechtsverbindliches strukturelles Instrument zur Gewährleistung des freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehrs im Falle künftiger Krisen zu entwickeln.
Im Vorfeld der Vorlage des Vorschlags führte die Kommission umfassende Konsultationen durch. Sie veröffentlichte unter anderem eine Aufforderung zur Stellungnahme und eine öffentliche Konsultation und führte eine Umfrage unter den Mitgliedstaaten durch. Überdies wurde ein groß angelegter Workshop mit Interessenträgern organisiert und es wurden zahlreiche gezieltere Konsultationen der Interessenträger durchgeführt.
www.praeventionstag.de
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