26.06.2021

Präventionspolitik (149)

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Aktuelles aus dem Deutschen Bundestag:

  • Mögliche Freigabe von Cannabis unter Experten umstritten
    (hib/PK) Die kontrollierte Abgabe von Cannabis als Genussmittel würde nach Einschätzung von Experten Chancen und Risiken mit sich bringen. Das ergab am 21.06.2021 eine Anhörung des Gesundheitsausschusses des Bundestages über einen Antrag (19/27807) der FDP-Fraktion. Die Sachverständigen äußerten sich in der Anhörung und in schriftlichen Stellungnahmen. Nach Ansicht der FDP-Fraktion sollten Erwachsene Cannabis zu Genusszwecken in Apotheken und speziell lizensierten Geschäften erwerben können. 

    • Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) stellte fest, dass die Repressionspolitik gegen Cannabis gescheitert sei. Die Repression erschwere zudem Hilfsangebote für Menschen mit problematischem Konsum. Begrenzte, kontrollierte und wissenschaftlich begleitete Modellprojekte könnten genutzt werden, um Erkenntnisse über Handlungsalternativen zu gewinnen. Prävention, Früherkennung und Frühinterventionsangebote müsste aber erhalten bleiben.
    • Der Deutsche Städtetag erklärte, die lizensierte Abgabe von Cannabis brächte eine Entkriminalisierung der Konsumenten, mehr Verbraucherschutz und Steuereinnahmen. Gegen die Freigabe spreche die damit einhergehende Verharmlosung der Droge mit gesundheitlichen Folgen, ähnlich wie bei Alkohol. 
    • Uwe Wicha vom Institut für Gesundheit und Bildung (IGB) zeigte sich in der Anhörung skeptisch zur Freigabe der Droge Cannabis. Er forderte mehr Gesundheitsschutz und Prävention, um die Verbreitung von Drogen zu unterbinden. Nach Ansicht Wichas zeigt das Beispiel Alkohol, wie schädigend eine Freigabe von Cannabis sein könnte. 
    • Kirsten Müller-Vahl von der Medizinischen Hochschule Hannover sprach sich hingegen dafür aus, neue Wege zu gehen und neue, kontrollierte Abgabemöglichkeiten zu erproben, die dann vielleicht beispielhaft sein könnten für die künftige Abgabe legaler Drogen wie Alkohol. Es dürften bei Cannabis nicht dieselben Fehler gemacht werden wie bei Alkohol, mahnte sie in der Anhörung.
    • Der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap von der Universität Düsseldorf erklärte, den Dealern sollte die faktische Kontrolle über den Markt entzogen werden. Allerdings müsse damit gerechnet werden, dass ein Teil der Drogenhändler versuchen werde, den Kunden härtere Drogen zu verkaufen.
    • Der Sozialwissenschaftler Heino Stöver von der Frankfurt University of Applied Sciences plädierte ebenfalls für eine kontrollierte Freigabe der Droge und verwies auf die schädlichen Auswirkungen der zunehmenden Kriminalisierung von Konsumenten. Die Kriminalisierung treffe vor allem junge Leute mit destruktiver Härte, mit teils dramatischen Folgen in ihrem sozialen Umfeld. Eine Neuregelung sei überfällig, begleitet von Aufklärung, Prävention und Evaluation.
    • Die Bundesärztekammer (BÄK) erinnerte in der Anhörung an die besonders schädlichen Wirkungen von Cannabis auf Jugendliche. Die Risiken für Langzeitschäden seien insbesondere bei Jugendlichen hoch. Es stelle sich die Frage, wie bei einer legalisierten Abgabe junge Leute effektiv geschützt werden könnten.
       
  • Ersetzung des Rasse-Begriffs im Grundgesetz befürwortet
    (hib/MWO) Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen wollen den Begriff "Rasse" aus dem Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes streichen. Um entsprechende Gesetzentwürfe der beiden Fraktionen (19/2062819/24434) ging es in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am 21.062021. In der von Heribert Hirte (CDU) geleiteten Sitzung begrüßten die eingeladenen Sachverständigen mehrheitlich die beiden Vorlagen. 
    • ​​Mehrdad Payandeh von der Hamburger Hochschule für Rechtswissenschaft erklärte in seiner Stellungnahme, die beiden Gesetzentwürfe unterschieden sich in Nuancen, zielten aber in der Sache im Wesentlichen auf die Streichung des Begriffs "Rasse" in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes und die Ersetzung durch den Begriff "rassistisch" sowie die Verankerung einer staatlichen Verpflichtung zum Schutz vor Diskriminierung. Er halte die Vorschläge für verfassungspolitisch überzeugend: Sie adressierten ein gesellschaftlich wichtiges Problem und setzten ein wichtiges Signal im Umgang mit rassistischer Diskriminierung sowie mit den Folgen derartiger Diskriminierung. 
    • Tarik Tabbara von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin erklärte, die Grundgesetzänderung sei nachdrücklich zu begrüßen, da mit ihr die begründete Erwartung bestehe, dass so die Voraussetzungen für einen effektiveren Schutz vor rassistischer Diskriminierung in der Rechtspraxis geschaffen würden. Der Umgang mit dem grundgesetzlichen Diskriminierungsverbot "wegen seiner Rasse" erweise sich im Recht insgesamt als nicht besonders entwickelt und weise Probleme auf. Die in den vorliegenden Gesetzesentwürfen vorgeschlagenen Formulierungen seien auch gegenüber dem Vorschlag, auf den sich die Bundesregierung geeinigt hätte, vorzuziehen. Durch die Ersetzung des Rassebegriffs würde Deutschland auch nicht mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen in Konflikt geraten, betonte Tabbara.
    • Bernhard Franke, Kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, verwies ebenfalls auf Bestrebungen der Bundesregierung zur Änderung der Grundgesetz-Formulierung. Grundsätzlich werde jedes Vorhaben, das den Begriff der "Rasse" im Grundgesetz ersetzen will, begrüßt. Gegen die von der Bundesregierung vorgeschlagene Formulierung "aus rassistischen Gründen" habe es jedoch aus antidiskriminierungsrechtlicher Sicht Bedenken gegeben. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes habe deshalb damals für die Formulierung "rassistische Benachteiligung" geworben, also für eben jene Formulierung, die die jetzigen Entwürfe der beiden Fraktionen vorsehen. Aus Sicht der Antidiskriminierungsstelle seien die Entwürfe beider Fraktionen daher unterstützenswert. 
    • Auch Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte befürwortete die vorgeschlagene Änderung. Der Grundgesetztext spiegele die Sprache der Menschenrechte im Jahr 1949 wider, erklärte Cremer. Er stehe hinsichtlich der Verwendung des Begriffs "Rasse" schon lange in der Kritik. Der Gebrauch des Begriffs "Rasse" im Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes trage dazu bei, rassistisches Denken zu verstetigen, da er einem Menschenbild Vorschub leiste, wonach es unterschiedliche menschliche "Rassen" gebe.
    • Ähnlich argumentierte Hannes Ludyga von der Universität des Saarlandes. Das Grundgesetz knüpfe hinsichtlich der Rasse an ein völlig ungeeignetes Kriterium zur Einteilung von Menschen an. Die Formulierung "Rasse" sei in Bezug auf Menschen ein unbestimmter und willkürlicher Rechtsbegriff, der nicht konkretisierbar sei und Rechtsunsicherheit hervorrufe. Objektiv könne kein Mensch einen anderen Menschen wegen seiner "Rasse" benachteiligen, weil es unterschiedliche Menschenrassen nicht gebe. Die Verwendung des Begriffs "Rasse" führe zu dem Glauben, dass unterschiedliche biologische "Menschenrassen" existierten. Dies könne zur Förderung rassistischen Denkens beitragen. In die Wertewelt der Bundesrepublik Deutschland passe der Begriff der "menschlichen Rasse" nicht.
    • Gegen eine Streichung sprach sich Christian Kirchberg, Vorsitzender des Ausschusses Verfassungsrecht der Bundesrechtsanwaltskammer, aus. Es sei ein Irrtum, aus der Verwendung des Begriffs "Rasse" im Grundgesetz zu schließen, damit werde die nationalsozialistische Rasse-Ideologie legitimiert. Das Gegenteil sei der Fall: Der Begriff "Rasse" im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes antworte auf einen kulturell-sozial bestimmten Rassenbegriff, aus dem ein Überlegenheitsanspruch hergeleitet werde und der prinzipiell durch seine Irrationalität und seine Anfälligkeit für pseudowissenschaftliche Theorien von der Höherwertigkeit oder der Minderwertigkeit bestimmter Menschengruppen gekennzeichnet sei. Um rassistisch motivierten Herabwürdigungen, Benachteiligungen oder Verfolgungen zu begegnen, müsse der Begriff "Rasse" nicht gestrichen werden. 
    • Uwe Kischel von der Universität Greifswald betonte in seiner Stellungnahme, die Ersetzung des Begriffs "Rasse" durch "rassistisch" würde zu inakzeptablen Konsequenzen führen. Das geltende Verfassungsrecht regele das Verbot jeglicher Rassendiskriminierung in klarer und angemessener Weise. Eine Streichung wäre demgegenüber wenig sinnvoll und geschichtsvergessen. Die geforderte Einfügung des Begriffs "rassistisch" würde sich aufgrund der von der Rassendiskriminierung völlig abgekoppelten, extrem weiten Bedeutung von Rassismus weit vom gesellschaftlichen Konsens entfernen und gehöre daher nicht in das Grundgesetz.
    • Der Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera, der nach eigenen Angaben seit mehr als 40 Jahren zu Rasse- und Artbildungsprozesse im Tierreich forscht, plädierte dafür, im Grundgesetz darzulegen, was dort unter "Rasse" gemeint ist. Viele der mit dem "Rasse"-Begriff verbundenen Fakten seien in Deutschland weitgehend unbekannt. Die derzeitige Formulierung sei für biowissenschaftliche Laien missverständlich und daher korrekturbedürftig. Rassismus als religiös-politische Ideologie könne nicht mit den real existierenden, gleichwertigen, biogenetisch adaptierten geographischen Varietäten des Homo sapiens begründet werden. Er sei strikter Antirassist, betonte Kutschera. Rassismus müsse bekämpft werden, aber nicht so, sagte er mit Blick auf die Gesetzentwürfe.
Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

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