24.06.2023

Nationale Sicherheitstrategie stößt auf geteiltes Echo

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(hib/AHE) Berlin: (hib/AHE) Die Nationale Sicherheitsstrategie Deutschlands stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo. In einer öffentlichen Anhörung (20/7220) im Auswärtigen Ausschuss bestand unter den Expertinnen und Experten am 19.06.2023 weitgehend Konsens, dass die Bundesregierung mit dem vergangene Woche vorgelegten außen- und sicherheitspolitischen Grundsatzdokument Bedrohungen angemessen abbilde, darunter explizit die Bedrohung der europäischen Friedensordnung durch Russlands Krieg gegen die Ukraine. Kritisch merkte ein Teil der Gäste an, dass die Strategie manches im Ungefähren lasse - unter anderem mit Blick auf China - und insbesondere auch die Finanzierung im Unklaren bliebe. Ein anderer Teil der Experten vermisste hingegen die Antizipation einer europäischen Friedensordnung über die gegenwärtige Abschreckung gegenüber Russland hinaus.

Ursula Schröder vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Universität Hamburg (IFSH), attestierte der Strategie ein „umfassendes Schutzversprechen“, das nicht nur auf Verteidigungspolitik abstelle, sondern den „Schutz unserer Freiheit“ und den Schutz planetarer Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt stelle. Schröder nannte dies „ambitioniert, aber richtig“. Spätestens seit der „Verschränkung von Klima- und Biodiversitätskrise, Pandemie und Krieg“ sei offensichtlich, dass die Priorisierung nur eines Problemfelds keinen nachhaltigen Schutz verspreche. 

Guntram Wolff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hob die klare Unterstützung für die Ukraine und das Bekenntnis zur EU-Osterweiterung in dem Grundsatzpapier positiv hervor. Die strategische Neuausrichtung darin sei jedoch - mit der Ausnahme der geschilderten Bedrohungslage durch Russland - begrenzt. Die Sprache zum Thema China sei zwar in der Analyse deutlich, aber es fehlten konkrete Schlussfolgerungen etwa zu Investitionsprüfungen und Exportkontrollen. Auch bei Resilienz und Rohstoffen gebe es wenig Neues - und im Übrigen keine Antworten auf fundamentale Risiken wie im Fall eines Konflikts um Taiwan. „Viele Fragezeichen“ machte Wolff zudem bei der Umsetzung der Strategie, konkret bei der Finanzierung aus. 

Der Politikwissenschaftler Christopher Daase (Goethe-Universität Frankfurt am Main) sah in der Benennung der Interessen und Werte und der Identifizierung der Bedrohungen die Stärken der Strategie. Vage bleibe das Dokument aber insbesondere bei der Finanzierung. So erscheine ein Mehr ans Sicherheit ohne zusätzliche Kosten unrealistisch. Die Strategie mache deutlich, „dass der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die zentrale sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit ist“. Es fehle jedoch ein Bekenntnis zu einer gesamteuropäischen Friedens- und Sicherheitsordnung, die über Abwehr und Abschreckung Russlands hinausgehe und an Prinzipien von KSZE und OSZE festhalte, „auch wenn diese gerade von Russland mit Füßen getreten werden“, so Daase. 

Für Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) enthält das Dokument „keine Lücken, aber es bleibt an vielen Punkten im Ungefähren“. So liefere die Strategie keine konkrete Definition von Deutschlands Rolle in der Welt: „Was sind die Ambitionen dieses Landes, der viertgrößten ökonomischen Macht, eine der größten politischen Mächte der Welt? Das steht da nicht drin.“ Mölling brachte eine „sicherheitspolitische Dekade“ ins Spiel, in der Deutschland drei bis vier Prozent seiner Wirtschaftskraft in Sicherheit investiert. Dann komme man an den Punkt, an dem man über politische Konzepte streiten könne.

Der Einzelsachverständige Ralph Bosshard hob hervor, dass das Papier „immerhin“ klar Russland als Hauptbedrohung für die Sicherheit Deutschlands benenne und eine Abschreckungsstrategie im Nato-Rahmen empfehle. „Es ist aber abzusehen, dass eine reine Abschreckungsstrategie ohne parallele Verhandlungsstrategie schon bald in eine Krise“ und zu weiterer Eskalation führen könne. Bosshard prophezeite, dass das Ergebnis des Kriegs in der Ukraine unbefriedigend und der postsowjetische Raum auf lange Zeit eine „Baustelle europäischer Sicherheit bleiben“ würden. Für diese Sicherheit sei nicht ein neues System kollektiver Sicherheit anstelle der UN zu empfehlen, sondern vielmehr die Überarbeitung des OSZE-Rahmens. 

Reiner Braun (International Association of Lawyers against Nuclear Arms, IALANA) sprach von einer „Unsicherheitsstrategie“. Trotz versöhnlicher Tonart sei der Inhalt „Konfrontation, militärische Intervention, Aufrüstung und Abschreckung“. Wie Egon Bahr formuliert habe, müsse es darum gehen, dass beide Seiten Sicherheit erlangen, „nicht vor dem Gegner, sondern gemeinsam mit ihm“. Diese Philosophie finde sich nicht wieder in der Sicherheitsstrategie. Diese Denkweise könne in einer auf Gegenseitigkeit angewiesenen Welt „zum Wegbereiter in die eigene Vernichtung werden“, sagte Braun und forderte eine Friedens- und Sicherheitspolitik „auch mit Russland und China“. 

Zum Mitschnitt der öffentlichen Anhörung: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw25-pa-auswaertiges-sicherheitsstrategie-952500

Die Nationale Sicherheitsstrategie kurz zusammengefasst: https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-953026

Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung in ganzer Länge: https://www.nationalesicherheitsstrategie.de/

Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

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