13.07.2024

Fachgespräch zu Antisemitismus an Bildungseinrichtungen

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(hib/CHA) Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung hat sich in einem öffentlichen Fachgespräch am Mittwoch, 26. Juni 2024, mit dem Thema „Antisemitismus an Bildungs- und Forschungseinrichtungen bekämpfen“ auseinandergesetzt. 

Die acht geladenen Sachverständigen forderten einheitlich die Bekämpfung des Antisemitismus an Bildungs- und Forschungseinrichtungen und kritisierten propalästinensische Protestcamps an deutschen Universitäten. Jüdinnen und Juden müssten frei und sicher leben, lernen und studieren können, verlangten die Sachverständigen.

Die freiheitliche Demokratie und die Gesellschaft insgesamt stünden derzeit unter extremen Druck, sagte Elio Adler von der Werteinitiative e.V. im Ausschuss. Einige Universitäten seien zu Orten geworden, an denen Geiselnahmen, Terrorismus und Vergewaltigung „nicht nur nicht erwähnt oder verharmlost, sondern sogar verherrlicht wurden“, so Adler. Die Akteure solcher Veranstaltungen würden von Kräften angefeuert, die an der Destabilisierung der westlichen Welt interessiert seien; konkret nannte der Sachverständige hier Russland und Iran. Bezüglich der Interessen der Palästinenser befand Adler, dass diese lediglich als „politischer Spielball“ missbraucht würden, um „an den Pfeilern unseres Zusammenlebens zu sägen“. 

Shila Erlbaum vom Zentralrat der Juden in Deutschland verurteilte antisemitische Angriffe auf jüdische Schülerinnen und Schüler, Studierende und Lehrende scharf. Propalästinensische Protestcamps an Universitäten seien nicht anderes als „von außen gesteuerte Propagandaveranstaltungen für die Ideologie der Hamas“, für die sich manche Studierende als „nützliche Idioten“ hergeben würden. Erlbaum kritisierte, dass immer wieder versucht würde, Antisemitismus mit vermeintlicher Meinungsfreiheit zu legitimieren und betonte: „Antisemitismus ist keine Meinung, sondern Hass“. Sie forderte, Inhalte über Judentum, Antisemitismus und Israel verpflichtend in Lehrpläne aufzunehmen.

„Wir erleben eine absolut unhaltbare Situation für Jüdinnen und Juden in Bildungseinrichtungen in ganz Deutschland“, befand Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus. Derzeit würden Jüdinnen und Juden an ihrem Grundrecht auf Bildung gehindert. Klein lobte ausdrücklich die Arbeit der Polizei, die gegen „sogenannte Protestcamps konsequent, aber auch besonnen vorgeht“. Er forderte Konsequenzen für antisemitische Äußerungen und Maßnahmen an den Hochschulen zur Verhinderung von Rechtsverstößen auf Veranstaltungen sowie die Ernennung von Antisemitismusbeauftragten an den Hochschulen. 

Susanne Krause-Hinrichs von der Stiftung für Toleranz und Völkerverständigung wies darauf hin, dass sich an deutschen Hochschulen der israelbezogene Antisemitismus ausgebreitet habe. Es sei versäumt worden, Lehrende ausreichend über die israelische Geschichte zu schulen. Bereits in der Ausbildung von Lehrkräften fehle es an Wissen über die Geschichte Israels und den praktischen Umgang mit antisemitischen Vorfällen. Der Einsatz von Antisemitismusbeauftragten könnte hier Abhilfe schaffen, so Krause-Hinrichs. Auch fehle es an rechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundlagen zur Bekämpfung von Antisemitismus und zum Schutz von Jüdinnen und Juden.

Stefan Müller von der Frankfurt University of Applied Sciences betonte, dass Antisemitismus ein erlerntes Phänomen sei und daher auch wieder verändert werden könne. Seit dem 7. Oktober 2023 würden sich jüdische Hochschulangehörige und Studierende von den Universitäten zurückziehen und seien vermehrt Angriffen ausgesetzt. Müller forderte, die jüdische Präsenz auf dem Campus zu sichern und die Sichtbarkeit jüdischen Lebens in der Wissenschaft institutionell und strukturell zu stärken. Alle Hochschulangehörigen müssten an ihren Instituten eine Atmosphäre vorfinden, in der sie sicher und frei vor Angst und Diskriminierung forschen, studieren und lernen können. Zudem forderte er belastbare Daten und Fakten zum Thema Antisemitismus.

Noam Petri von der Jüdischen Studierendenunion Deutschland kritisierte die antiisraelischen und antisemitischen Proteste von Studierenden an deutschen Universitäten in den vergangenen Wochen. Lehrende, die diese Proteste verteidigten, würden sich keine Sorgen um die Wissenschaftsfreiheit machen, wenn Podiumsdiskussionen von Protestierenden gestört, Institute zerstört und Studenten mit islamistischen Terrorsymbolen bedroht werden, merkte Petri kritisch an. Zudem befand er: „Man kapituliert nicht vor Extremisten, sondern man bekämpft sie - und es ist allerhöchste Zeit“. 

Walter Rosenthal von der Hochschulrektorenkonferenz erklärte, dass laut einem aktuellen Bericht von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) zehn Prozent der antisemitischen Vorfälle in Kultur-, Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen stattfinden. Jüdische Studierende, Forschende und Mitarbeitenden müssten sich jedoch unter allen Umständen an den Hochschulen sicher fühlen. Die Hochschulen dürften keine Orte der Gewalt, des Antisemitismus und der Ausgrenzung sein, sondern müssten auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung basieren. Rosenthal forderte, dass der Boykott von israelischen Wissenschaftseinrichtungen auch weiterhin verhindert werden müsse.

In den Berliner Hochschulen sei eine „antisemitisch verhetzte Stimmung“ bemerkbar, erklärte Samuel Salzborn von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und verurteilte die Protestcamps sowie Drohungen gegen Hochschulpräsidien seitens der Aktivisten. Solche Aktionen seien Angriffe gegen Jüdinnen und Juden sowie auf die Grundwerte der Demokratie, kritisierte Salzborn. Hochschulen seien zwar Orte der Kontroversität, des Austauschs und des Pluralismus, jedoch gehe es den Aktivisten nicht darum, sondern lediglich um die massive Einschüchterung jüdischer und israelischer Studierender.

Das Fachgespräch im Video auf bundestag.dehttps://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw26-pa-bildung-fachgespraech-1008934

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